
Was wäre wenn …..
es eine Frauenquote für Führungspositionen in der Wirtschaft gäbe?
Die Bundesregierung hat es beschlossen, am Mittwoch, den 17. November:
Die Frauenquote kommt.
Anlass, nachzufragen und ein wenig an der Oberfläche zu kratzen: Welche Quote? Wo soll sie gelten? Wann soll sie kommen? Wie verbindlich ist sie? Was werden die Folgen sein?
Zunächst einmal: beschlossen ist nichts, die Bundesregierung bringt lediglich einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein, der dort beschlossen und vom Bundestag bestätigt werden muss. Im Moment befindet sich der Gesetzesentwurf in der Ressortabstimmung zwischen den Ministerien.
Formsache, geschenkt. Die Quote wird kommen, auch wenn noch ganz und gar nicht sicher ist, in welcher Form, mit welcher Verbindlichkeit und welchen Sanktionen bei Nichteinhaltung.
Im März 2015 hatte der Bundestag schon einmal das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im Öffentlichen Dienst“ beschlossen. Es legt eine Quote von mindestens 30% Frauen in Aufsichtsräten voll mitbestimmungspflichtiger und börsennotierter Unternehmen fest, die ab dem Jahr 2016 neu besetzt wurden.
Ergebnis und Siegerehrung:
Die festgelegte Quote von 30 % (!) wurde mit mehr als 32 % im Durchschnitt übertroffen.
Was heißt das?
Nicht in allen Aufsichtsräten sitzen die gesetzlich vorgeschriebenen 30 % Frauen. In manchen Aufsichtsräten mehr in manchen weniger in einigen eklatant weniger oder gar keine, aber im Durchschnitt eben 32 %.
Das ist so, als müssten 30 % aller Lebensmittel schadstofffrei sein. Warum nur 30 % und nicht 100%. Und dann sind tatsächlich im Durchschnitt 35 % schadstofffrei. Brot zu 90%, Gemüse zu 85%, Fleisch zu 70 %, aber Süßigkeiten nur zu 20%, Getränke nur zu 25 % … aber im Durchschnitt eben 35 %. Gut? Eher schlecht bis inakzeptabel.
Das gilt für die Frauenquote in Aufsichtsräten auch. Schon die Zielgröße ist mit 30 % bescheiden und stammt aus dem Jahr 2015. Fünf Jahre haben wir gebraucht, um uns dieser fragwürdigen Zielmarke anzunähern. Übrigens nur in börsennotieren Unternehmen, für alle anderen Unternehmen gilt das Gesetz gar nicht erst.
Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich, aber Hand aufs Herz: Würden Sie akzeptieren, dass Lebensmittelschutzgesetze nur von börsennotierten Unternehmen beachtet werden müssen? Würde Ihnen die Argumentation einleuchten, dass Arbeitsschutzgesetze, wenn sie nur für börsennotierte Unternehmen gelten, einen „Sog“ auf alle anderen Unternehmen auslösen und quasi automatisch zu Nachahmungseffekten führen? Ich empfände das als einen verzweifelten Versuch, mich abzulenken und zu veralbern.
Und jetzt also die Vorstände.
Freiwillig hat die männergeführte Industrie und Privatwirtschaft nichts gemacht, gar nichts. Und der öffentliche Dienst nicht viel mehr. Hatte man 2015 doch angekündigt und versprochen, freiwillig auch die Zahl der weiblichen Vorstände zu erhöhen, weil Zwangsmaßnahmen der Wirtschaft nur schaden und man auf Vernunft und Selbstregulierung vertrauen sollte. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist …. Sie kennen das!
Fakt ist:
In den Vorständen der (börsennotierten!) Unternehmen sitzen gerade einmal 8 % Frauen; wenn man zynisch wäre, könnte man sagen „zufällig“. Fast als sei das irgendetwas schief gegangen mit dem Ziel, nur ja keine Frau in einen Vorstand hineinzulassen. Wäre es das Ziel der männlichen Wirtschaftsbosse ihre Vorstände mit überhaupt keinen Frauen zu besetzen, wäre es immerhin mit satten 92 % erreicht. Honny soit que male pense.
Es entspricht nun einmal dem menschlichen Denk- und Verhaltensmuster, sich erst dann einigermaßen vernünftig zu verhalten, wenn man dazu gezwungen wird. Ohne Vorgabe, ohne Zwang und ohne Sanktionen lassen sich politische Ziele nicht durchsetzen. Andere übrigens auch nicht. Kompromissangebot an alle Pädagogen, Soziologen, Psychologen und Therapeuten: Es geht auch ohne Zwang, theoretisch, aber es ist viel mühsamer und es dauert viel länger, einverstanden?
Alle weiteren privatwirtschaftlichen Unternehmen in der Bundesrepublik sind übrigens laut Gesetz jetzt schon dazu verpflichtet, sich ein eigenes Ziel zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten, Vorständen und obersten Management-Ebenen zu setzen. Ein Mindestziel ist dabei interessanterweise nicht vorgegeben, die Zielquote darf allerdings nicht unter den aktuellen Stand sinken. Aber, wenn der aktuelle Stand NULL ist, durfte bisher auch die künftige Zielgröße NULL sein. Sehr einleuchtend!
Ergebnis und Siegerehrung der bisherigen Regelung aus dem Jahr 2016:
Lag der durchschnittliche Frauenanteil in Aufsichtsräten vor der Verabschiedung des Gesetzes noch bei 21,9 Prozent, ist er 2019 auf 32 Prozent gestiegen (Quelle: www.fidar.de/wob-indizes-studien (Stand: 2019)).
In den im Dax gelisteten Unternehmen stieg der Frauenanteil in den Aufsichtsräten von 26,8 Prozent im Jahr 2015 auf 35,4 Prozent im Jahr 2019.
Die Präsenz von Frauen in in Vorständen ist immer noch sehr gering. Nur
8 Prozent der Vorstandsposten wurden 2019 von Frauen besetzt. Nach wie gibt es in zwei von drei Unternehmen gar keine Frauen im Vorstand. (WAZ.de: Mehr Frauen in Führungspositionen deutsche Unternehmen, Artikel vom 8.1.2019)
Noch 2015 erklärte der Bundestag, bis 2018 solle eine 50-Prozent-Quote für Frauen in Aufsichtsräten angestrebt werden, um tatsächlich Geschlechterparität zu schaffen. Passiert ist seither nichts – es bleibt wohl auch bei der folgenlosen Absichtsbekundung. (Quelle: Bundestag, 2015)
Die bisherige gesetzliche Frauenquote gilt nur für Aufsichtsräte, nicht für Vorstände. Daraus den Schluss zu ziehen, die Situation habe sich bei allgemeinen Führungspositionen gebessert, ist naiv oder bösartig oder beides. Außerdem ist die Größe der analysierten Unternehmen relevant. Nach wie vor gilt nämlich: Je kleiner das Unternehmen, desto geringer ist tendenziell der Frauenanteil an den Führungspositionen. Sehr effizient und effektiv ist die eingeführte Frauenquote wohl nicht.

Kleiner Fortschritt ist auch ein Fortschritt
Ja, wenn jetzt, mit dem Entwurf der Bundesregierung nach den Aufsichtsräten die nächste Führungsebene, die Vorstände, mit einer festen Quote gezwungen werden sollen, sich mehr für Frauen zu öffnen, mutet das zwar, gemessen an der Relevanz des Themas für die Gesellschaft, mehr als bescheiden an, aber es zeigt auch, dass die Politik verstanden hat, dass es ohne die feste Quote nicht gehen wird. Ob es allerdings mit der Quote zum Erfolg führen kann, ist noch lange nicht ausgemacht. Rund 70 Prozent der von dem neuen Gesetz betroffenen Unternehmen hatten sich bisher die Zielgröße „Null“ für den weiblichen Besetzungsgrad im Vorstand gegeben. Es steht zu befürchten, dass Beharrungskräfte und Verhinderungsmechanismen weiter erbitterte Kämpfe fechten werden. Von „Widerstand“ möchte ich hier nicht reden, weil dieser Begriff den sturen Männern, die noch im letzten Jahrhundert leben, eine fast ethische Überhöhung zugestehen würde. Hier wird mit harten Bandagen um Pfründe, Besitzstände und Privilegien gefochten. Beleg: Der Frauenanteil in Vorständen der deutschen Wirtschaft ist in den letzten Jahren sogar wieder gesunken.
Gleichzeitig wächst der Anteil der Frauen in akademischen Berufen, in einigen stellen sie inzwischen die Mehrheit. Das Qualifizierungs- und Kompetenzniveau von Frauen nimmt zu, an Schulen und Universitäten bekommen Mädchen und Frauen im Durchschnitt bessere Noten als die Jungen und Männer.
Bundesfrauenministerin Franziska Giffey sagt dazu:
„Wir können uns nicht zurücklehnen und nochmal etliche Jahre darauf hoffen, dass die Unternehmen sich höhere Zielgrößen setzen. Freiwillig tut sich nichts. Es ist an der Zeit, gesetzliche Regeln für mehr Vielfalt und Gleichstellung in den Chefetagen zu schaffen. Das ist kein Almosen oder gar eine Belastung, sondern ein wichtiger Schritt für mehr wirtschaftlichen Erfolg und internationale Wettbewerbsfähigkeit.“
Die Frage, die sich stellt, ist nur
Wird das reichen?
Gesetzliche Regelungen alleine sind noch kein Anlass und überhaupt kein Grund, Champagnerkorken knallen zu lassen. Man könnte sogar fast befürchten, dass dieses neue Gesetz nur eine Art Ventil darstellt, mit dessen Hilfe man vorsichtig und gesteuert, Dampf ablassen kann, um dem Druck aus der Gesellschaft auszuweichen.
Nach wie vor gibt es zu viele „If“ und „But“, wenn Firmen partout nicht wollen und behaupten, sie könnten keine Frauen an Führungspositionen bringen. Das Gesetz gilt in seinem aktuellen Entwurf ohnehin nur für Firmen, in denen mindestens vier Vorstände arbeiten. Bleibt abzuwarten, wie viele Firmen ihre Vorstandssitze auf drei herunterfahren oder gar nicht erst vier Positionen aufwachsen lassen, um aus dem Schneider zu sein.
Das Gesetz gilt zudem nur für börsennotierte Unternehmen. Es gibt in Deutschland 3,3 Millionen Unternehmen (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/246358/umfrage/anzahl-der-unternehmen-in-deutschland/). Davon sind knapp 500 börsennotiert. Das neue Gesetz gilt nur für die Besetzung der Vorstände börsennotierter Unternehmen, nicht einmal 0,1 Prozent (!), die große Masse der Unternehmen wird nach wie vor von dem Gesetz gar nicht betroffen sein.
Das erklärt auch, warum Frauen im Vergleich zu Ihrem Anteil, ihrer Ausbildung und Qualifikation und Lebenserfahrung so viel weniger vertreten sind, wenn es um Führungspositionen geht, als die allgemeinen Statistiken, die sich nur auf einen Bruchteil deutscher Unternehmen beziehen, annehmen lässt.
Was ist zu tun?
Wie in vielen anderen Bereichen auch, ist hier der Ruf nach dem starken Staat, der es richten und der Politik, die endlich etwas tun soll, zwar laut aber leider auch vergebens. Mit großer Öffentlichkeitswirksamkeit kann man sich zwar am politischen Apparat abarbeiten und eine Initiative nach der anderen starten, bewegen können wir aber nur etwas, wenn der Druck von unten in den Firmen, den Unternehmen, den Belegschaften, den Kunden, den Vereinen … aufgebaut und beharrlich verstärkt wird. Bestimmt hat der Einfluss vieler Pressure-Groups und einzelner Initiativen bewirkt, dass die gesetzliche Regelung jetzt endlich auch auf die Vorstände ausgedehnt worden ist. Reichen wird das nicht. Es besteht sogar das Risiko, mit Verweis auf das neue Gesetz, alle weiteren Aktivitäten einzustellen, erst einmal abzuwarten und in ein paar Jahren neudeutsch gesagt zu „evaluieren“, was jetzt schon feststeht: Wer nicht betroffen ist (alle nicht börsennotierten Unternehmen), wird gar nichts machen, die anderen werden sich in großen Teilen rauszureden versuchen, verzögern, auf Zeit spielen und vor allem hinhaltend kämpfend langsam ausweichen. Fortschritt sieht anders aus.
Nicht resignieren!
Nichts zu tun, ist keine Alternativ, wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. Wir müssen an mehreren Fronten kämpfen: vor allem gilt es dort anzusetzen, wo eklatant Frauen benachteiligt werden, wo es gar keine weiblichen Führungskräfte in Unternehmen gibt. Gerichtsverfahren, Pressekampagnen, social Medias setzen Manager vor Ort unter Druck, sich zu rechtfertigen. Kunden müssen nachfragen, warum es keine Frauen in den Führungstagen von Unternehmen gibt. Wenn Marketing und Position auf dem Markt auch signifikant davon abhängt, ob Frauen in Vorständen sitzen, werden alte Positionen ganz rasch geräumt, wo die Zahlen (Umsätze!) nicht mehr stimmen.
Wenn wir davon ausgehen, dass sehr viele Frauen und sehr viele
Männer (!) in unserem Land wollen, dass Führungspositionen auch von Frauen besetzt werden, können wir das auch durchsetzen. Selbst wenn der Weg durch die Gesellschaft mühsam und langwierig wird, wir müssen ihn genauso gehen, wie den Weg durch die Institutionen.