
Der Erfolg der Grünen in Umfragen beruht auf der Wahrnehmung der Themen Umwelt, Klima, Gesundheit, Zukunft. Viele Menschen halten diese Themen nicht nur für wichtig, sondern wollen, dass sie gestaltet werden. Allerdings haben die wenigsten Menschen klare Vorstellungen darüber, welche konkreten Maßnahmen ergriffen werden sollen und welche Einschränkungen sie bereit sind, auf sich zu nehmen.
Die meisten politischen Umweltziele sind negativ formuliert, indem sie irgendetwas „verhindern“, „abbremsen“, „vermeiden“, „senken“, „reduzieren“, “abschaffen“ wollen. Meistens werden in Verbindung mit diesen Zielen auch Ausstiege, Restriktionen, Beschränkungen und Verbote gefordert.
Sehr leicht kann man so einen möglichen Erfolg verspielen, weil Rechthaberei, Radikalität und Gesinnungspolitik zwar unzweifelhaft Stimmen bringen, aber selten Mehrheiten.
25 % Zustimmung in der Bevölkerung mag sehr viel sein und viele Abgeordnete einer Partei in die Parlamente spülen, bedeutet aber auch, dass 75 % der Bevölkerung nicht (vollständig) überzeugt sind und eher nicht bereit sind, zu folgen. Und den Klimawandel bekommen wir nicht hin, wenn alle Politiker auf einmal kluge Gesetze formulieren, sondern nur, wenn die Mehrheit der Menschen – nicht nur in Deutschland – bereit ist, konkrete Maßnahmen zu ergreifen und auf liebgewordenen Luxus zu verzichten.
Warum finden sich in grünen Programmen aller Parteien so wenig positiv formulierte Ziele, die SMART formuliert angeben, welche konkreten, messbaren, erreichbaren, vernünftigen und mit Zeitlinien versehenen Ziele erreicht werden sollen (Specific, Measurable Achievable, Rational, Timed)?
Der Grund ist einfach:
Solche Ziele rufen mehr Gegner auf den Plan als Unterstützer. Beispiel gefällig?
Das Ziel: „Ausstieg aus der Kohleenergie bis 2030“ (oder einem beliebigen anderen Jahr) ist nicht SMART. Niemand kann sich darunter vorstellen, was das konkret bedeutet, welche Folgen es hat, was es kostet und wie man es erreichen soll.
SMART formuliert wäre:
„Bis in das Jahr 2030 pro Jahr 3 Milliarden Euro aus dem Bildungssektor und dem Sozialetat so zu verlagern, dass 250 000 Arbeitsplätze, die in der Kohleindustrie verloren gehen, sozial abgefunden und ausgeglichen werden, gleichzeitig bis 2030 auf jährlich 0,4 % Wirtschaftswachstun verzichten und in Deutschland durch folgende Landkreise (namentliche Aufzählung) Trassen für erneuerbare Energien bauen.“
Keine Partei, die Wahlen gewinnen will, würde so etwas in ihr Programm schreiben und keine grün geführte Regierung würde derart konkrete Maßnahmen umsetzen wollen.
Gibt es also gar keine Chance für einen Klimawandel und eine aktive Politik, unseren Planeten zu retten? Doch, die gibt es. Aber nur um einen beachtlichen Preis, den alle Menschen bereit sein müssen, zu bezahlen:
(1) Wir alle (!) müssen bereit sein, auf Forderungen zu verzichten. Wir brauchen Wachstum, aber wir können nicht mehr alles damit finanzieren, was uns lieb und teuer ist. Energie wird zum Luxusgut und kann nur noch gegen teures Geld erworben werden. Das gilt für Autos, Mode, Urlaub, Internetnutzung, kurz für jeden Luxus, den wir uns (noch) leisten. Zu glauben, dass die „Reichen“ in unserem Land das stemmen werden und „wir anderen“ so weiterleben können wie bisher, ist eine Illusion. Auch die Nutzung des Internets durch Streaming Dienste und das Nutzen Sozialer Medien verschwendet Energie. Flugreisen – egal, ob Kurzstrecke oder Urlaubsreise – schaden dem Klima. Fleischverzehr und Massentierhaltung zerstören die Welt, Sylvesterfeuerwerke schädigen die Umwelt. Kurz: es gibt keinen einzigen Menschen, der für sich in Anspruch nehmen könnte, von dem Verzicht nicht betroffen zu sein.
(2) Wir müssen aufhören, besserwisserisch und überheblich durch unser Land und unsere Welt zu ziehen und allen (anderen!) zu predigen, sie müssten nun endlich ihr Leben verändern. Am deutschen Wesen wird die Welt auch dieses mal NICHT genesen. Der deutsche Beitrag am CO 2-Ausstoß beträgt weltweit gerechnet 2,5 %. Da darf man schon mal etwas bescheidener in der Erwartungshaltung werden, wenn man die Welt verbessern will.
(3) Klimawandel wird teuer. Nur, wenn wir mit einer leistungsfähigen Wirtschaft genug verdienen, werden wir den Klimawandle finanzieren können. Mit Hedonismus, Work-life-Balance, 25-Stunden-Woche, Job-sharing, Sabbatical, Auszeiten … wird das nicht funktionieren. Leistung muss sich lohnen und Leistung muss anerkannt und vor allem auch gefordert (!) werden.
(4) Wir können nicht alles und nicht alles auf einmal und fast gar nichts schnell erreichen. Dilemmata dürfen nicht ideologisch weg gedrückt sondern müssen aufgelöst werden. Man kann nicht gleichzeitig aus der Atomenergie und der Kohleenergie aussteigen, Stromtrassen und Windräder vermeiden und verzögern und glauben, das wird schon irgendwie gut gehen.
Man kann nicht Menschen (in der Lausitz) versprechen, dass ihre Welt schöner wird und ihnen gleichzeitig ohne Ersatz die Arbeitsplätze in der Kohleindustrie abnehmen. Man kann auch nicht auf sie „verzichten“, weil man glaubt genügend Wähler in der grünen Wohlstandsschicht des Prenzlauer Berg zu haben. Wer in der Politik erfolgreich sein will, muss Mehrheiten organisieren, sonst scheitert er, auch wenn er 25 % der Wählerstimmen erreichen kann. Der politische Erfolg entscheidet sich erst nach der Wahl, die Stimmen am Wahltag sind nur ein Vorschuss, der schnell aufgezehrt sein kann.
(5) Symbolpolitik schadet dem Klimawandel mehr als er ihm nutzt. Wenn wir sichere deutsche Atomkraftwerke abgeschaltet haben und heute Atomstrom aus vergleichsweise unsicheren Anlagen in Frankreich, Belgien oder Tschechien kaufen, sind wir NICHT aus der Atomenergie ausgestiegen und haben der Sache mehr geschadet als genützt.
Die deutsche Politik, mit den Einspeistarifen „grünen Strom“ zu fördern, lässt die Preise der Emmissionszertifikate europaweit sinken. Daher kaufen andere Länder diese „billigen“ Zertifikate und stoßen insgesamt mehr CO 2 aus, als Deutschland einspart.
Das Verbot von Verbrennungsmotoren in Deutschland führt angeblich zu klimaneutralen Elektroautos, obwohl der Strom für sie wenigstens zu Teilen aus (nicht deutschen) Kohlekraftwerken finanziert werden wird. Die Elektroautos und das Verbot von Ölheizungen ab 2025 werden zur Folge haben, das Europa und Deutschland weniger Öl auf dem Weltmarkt nachfragen. Die geförderten Erdölmengen werden dann – zu niedrigeren Preisen – anderswohin geliefert. Es käme nur dann zu einem positiven Klimaeffekt, wenn die erdölproduzierenden Länder weniger Öl förderten. Danach sieht es weder jetzt noch künftig aus. Die OPEC-Länder sind auf die Öleinnahmen angewiesen, weil es ihre einzigen Einnahmen sind. Wenn die Preise sinken, werden sie mehr Öl fördern. Eine europäische Einschränkung der Nachfrage führt zu erhöhter Ölförderung und damit zur Beschleunigung des Klimawandels. Das ist nicht nur für das Klima schlecht, es macht Deutschland ärmer und bringt andere Länder dazu mehr von dem billigen Öl zu fördern, zu kaufen und zu verbrennen, weil sie dadurch ihren Wohlstand steigern.
Was ist der Ausweg:
Positiv formuliert:
Es darf keinen isolierten deutschen Sonderweg geben; der ideologische Alleingang muss ein Ende haben, wir müssen europäische Lösungen finden. Europa muss sich für steigende Ölpreise einsetzen, dann können sich die OPEC-Länder leisten, weniger Öl zu fördern und es wird auch weniger Öl verbrannt werden.
Wir müssen erneuerbare Energien nicht nur – mit teuren Subventionen – fördern sondern gesetzlich durchsetzen; das gilt auch und gerade für den Bau von Energietrassen.
Wir müssen einen Weg finden – wenigstens für eine Übergangszeit – den Atomstrom, und zwar sicheren Atomstrom, zu nutzen, weil er aktuell die einzige klimafreundliche Energiequelle darstellt, in die wenig investiert werden muss und die in ausreichendem Maß verfügbar ist.
Wir müssen weniger Kraft und Zeit darauf verwenden, Klimaziele zu formulieren, die erst in 15 oder mehr Jahren gelten, sondern konkrete Maßnahmen umsetzen, die in den nächsten fünf Jahren ihre Wirkung entfalten können.
Wir müssen die „Verlierer“ einer Klimapolitik identifizieren, sie ernst nehmen und ihnen Ausgleichszahlungen zur Verfügung stellen:
+ Beschäftigte in der Kohleindustrie
+ Tourismusbranche und Flugunternehmen
+ Beschäftigte in der Automobilhersteller
+ …
Das wird nicht (nur) im nationalen Alleingang zu bewältigen sein und wir müssen internationale und globale Märkte erschließen, auf denen und mit denen wir das Geld verdienen können, um den Klimawandel zu finanzieren:
+ Atomenergie und Anlagenbau erneuerbarer Energien
+ Wasserstofftechnologie
Wir müssen im europäischen Rahmen landwirtschaftliche Subventionen nur noch an Betriebe vergeben, die sich an Standards einer artgerechten Tierhaltung halten. Massentierhaltung und Massenschlachtbetriebe müssen so teuer werden, dass der Verbraucher die dann entstehenden Preise nicht mehr bezahlen kann oder bezahlen will.
Flugreisen müssen das werden, was sie in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts waren: teurer für die meisten unbezahlbarer Luxus. Öffentlicher Nah- und Zugverkehr muss verfügbar, bezahlbar, schnell, sicher und praktisch sein – aber nicht luxuriös. Wir brauchen keine Intercityzüge die wie eine Mischung aus Raumschiff und Flugzeug aussehen, im Winter zu spät kommen, weil es zu kalt ist und im Sommer ausfallen, weil es zu heiß ist, sondern funktionale, praktikable und massentaugliche Lösungen.
Wir brauchen kein Tempolimit auf Autobahnen, sondern einen Benzinpreis, der schnelles Fahren (zu) teuer und unrentabel macht. Wir brauchen keine Pendlerpauschale sondern konsequentes Home Office, wo immer das möglich ist und eine Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs für unter 100 Euro pro Jahr und Bürger flächendeckend.
Wir brauchen Autos – staatlich gefördert – die nicht über 200 km/h fahren können, aber sicher sind und unter 2 Litern pro 100 km verbrauchen. Jedes Auto, das schneller als 180 km/h fahren kann, wird so hoch besteuert, dass es sich nur wenige leisten können. Autos, die mehr als 5 Liter auf 100 km verbrauchen erhalten keine Zulassung auf deutschen Straßen.
Klimawandel wird Geld kosten. Wir werden Wachstum benötigen und zusätzliche Einnahmen. Das wird nur über Steuern – direkte und indirekte Steuern – gehen. Erbschaftssteuer ist Diebstahl und Vermögenssteuer ist Enteignung. Beides trifft nicht die sogenannten Reichen, sondern die Mittelschicht, also genau die Leistungsträger auf deren Zustimmung, Unterstützung und aktive Leistung wir angewiesen sind. Wer eine Vermögenssteuer ab Zwei Millionen Vermögen fordert, legt die Axt an die Sozialverträglichkeit unserer Gesellschaft an. Vielen – auch denen, die solche Steuern fordern – ist nicht klar, dass ein „Vermögen“, das aus dem Haus besteht, in dem man wohnt und das man zur Altersabsicherung gebaut, geerbt oder erworben hat, verkauft werden muss, wenn man jährlich 1 % Vermögenssteuer (= 20 000 Euro bei einem Haus im Wert von 2 Mio. €) bezahlen muss. Man glaubt, den „Zigarre rauchenden Bonzen“ zu erwischen und trifft den Mittelstand. Das von einer Vermögenssteuer fast 50 % im Verwaltungsaufwand versickern und gar nicht erst in der Staatskasse landen, kommt erschwerend hinzu.
Zur Finanzierung der Weltrettung müssen wir zusätzliches Wachstum generieren und davon einen Teil – als Steuern – erheben. Sei es über die Einkommenssteuer oder die Mehrwertsteuer oder über Luxus-Steuern für Konsum, der zwar schön aber nicht zwingend notwendig ist (schnelle Autos, Flugreisen, Fleisch, Netflix, Handys, …). Auch ein „Klimazuschlag“ in Höhe von 20 % des ehemaligen Solidaritätszuschlags ist vorstellbar.
Klingt das attraktiv? Eher nicht. Aber es kann ein vernünftiger Weg sein, bei dem wir um die Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung kämpfen müssen. Manchen wird man nicht durchsetzen können, anderes nur in Teilen oder langsam. Je breiter die Basis der Menschen ist, die beteiligt und betroffen sind, desto eher wird es gelingen. Eine virtuelle Spaltung der Gesellschaft in Gutmenschen und Klimaleugner, in Arme (die nichts beitragen müssen) und (wenige) Reiche, die alles bezahlen müssen, in „Gute“ und „Böse“ wird nicht funktionieren. Beispiele aus der Geschichte zeigen, dass solidarische Wege, die alle zu Betroffenen gemacht haben, auch früher gangbar waren: der Lastenausgleich nach dem zweiten Weltkrieg, der Solidaritätszuschlag nach der Wiedervereinigung.
Der politische Wettkampf in unserem Land, darf kein Gesinnungswettstreit werden. Es darf nicht darum gehen, wer die besseren Absichten und das lautere Gedankengut hat. Ideologien vergiften die politische Auseinandersetzung und verhindern Lösungen statt sie zu fördern. Spätestens nach der Wahl müssen sich Parteien damit abfinden, nur mit anderen Parteien zusammen regieren zu können. Wer sich jetzt im Wahlkampf nach allen Seiten offen zeigt, kann nicht ganz dicht sein. Wir Bürger wollen schon gerne wissen, wohin die Reise gehen soll und nicht nur ungefähr erfahren, wohin die neue Kanzlerin oder der neue Kanzler auf gar keinen Fall hinfahren wollen.