
Die Berichtstattung zu den Corona-Maßnahmen macht einmal mehr erschreckend deutlich , wie wenig unsere Medienlandschaft und Journalisten bereit sind, von ihrem Gesinnungsjournalismus abzulassen. Politikern werfen wir zu Recht vor, wenn Sie ihr Mäntelchen wieder und wieder in den Wind hängen, der ihnen günstig erscheint und nur die Maßnahmen ergreifen, die durch möglichst aktuelle Meinungsumfragen abgedeckt sind.Und was machen Journalisten? Im vorauseilenden Gehorsam spüren sie Stimmungen und Gefühle auf, verstärken sie und jubeln diese Stimmungen hoch, als könnten sie sachlich irgendein Problem lösen oder wenigstens dazu beitragen.In der Pandemie ist es das einige erfolgreiche Mittel, die Kontakte drastisch zu reduzieren. Nach Auffassung der meisten seriöse Wissenschaftler wäre es richtig gewesen und immer noch richtig, die Kontakte noch drastischer zu reduzieren, als es in den letzten sechs Monate erfolgt ist. Durch dieses Versäumnis, geschuldet u.a. dem Stimmungsjournalismus, haben Tausende Menschen ihr Leben verloren, die meisten davon ältere Menschen über 60. Ärzt und Pfleger kämpfen seit Monaten an der Grenze ihrer Belastbarkeit und darüber hinaus. Niemand will die Kontaktbeschänkungen, keiner findet sie großartig, aber alle Länder weltweit haben gezeigt, dass man nur mit drastischen Kontaktbeschränkungen erfolgreich sein kann und das nur, wenn sie lange genug durchgehalten werden.Bei den Ländern, die möglicherweise (?) erfolgreicher als Deutschland durch die Pandemie kommen, werden durchgängig Personenrechte und Datenschutzbestimmungen extrem relativiert. Aber in Fernsehen, Rundfunk und Zeitungen tun die Kommentatoren so, als gäbe es eine ernst zu nehmende und tatsächlich erfolgreiche Alternative zum Lock down. Die von den Medien, Oppositionspolitikern und angeblichen Experten ständig eingeforderte „Strategie“ gibt es längst und sie ist, wie es sich für eine gute Strategie gehört, denkbar einfach: Sie lautet: wenn die Inzidenz-Werte unter 50 sind, werden wir – vorsichtig – die Kitas und Schulen wieder öffnen, wenn die Werte unter 35 sinken, kommt der Einzelhandel und die Kultur dran. Das ist nicht nur irgendeine Strategie, es ist die einzig richtige. Bessere Ideen konnten bisher nicht präsentiert werden, die alternativangebote schwurbeln unkonkret und Allgemeinplätze absondernd darum herum, einen „Öffnungsplan“ vorzulegen und endlich die Frage zu bantworten. „Wann ist die Pandemie vorbei?“ Es ist fürchterlich banal, auf diese Frage gibt es nur eine Antwort: Die Pandemie ist vorbei, wenn sie vorbei ist und, je disziplinierter wir uns an die Lock-down-Regeln halten, desto schneller geht es. Die Wahrheit ist immer grausam: Es kommt nicht so sehr darauf an, was Bundeskanzler und Ministerpräsidenten beschließen, sondern nur und alleine darauf, ob und wie sich die Leute daran halten. Leider hat das Corona-Virus überhaupt nichts mit Demokratie am Hut, es nützt also nichts, wenn sich die breite Mehrheit an die Regeln hält, wenn nur zehn Prozent ignoraner Idioten so tun, als ging sie das Ganze nichts an (Ischl und Berlin lassen grüßen), nützen die Anstrengungen aller anderen Vernünftigen nichs oder nicht viel. Es ist ärgerlich, zu sehen, wie kleinliche, wahlkämpfende Ministerpräsidenten bei Gipfeln im Kanzleramt nach stundenlanger Diskussion Lösungen zustimmen, die sie schon Stunden später durch eigene Beschlüsse konterkarieren; aber es ist peinlich zu erleben, dass es kaum Journalist gibt, die dieses würdelose Spiel entlarven. Statt dessen spielen sie es mit. Mit Journalismus hat dieses Heulen mit den Wölfchen nichts mehr zu tun.